Pressemitteilung
AfD-Grundsatzthesen zur Pflege
Vorbemerkung: Die im Koalitionsvertrag geplante »Konzertierte Aktion Pflege« (Ziff. 4464, S. 95) kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor ein gesundheitspolitisches Gesamtkonzept fehlt, das die Dauerkrise der Pflege in Deutschland beendet. Punktuelle Korrekturen von Missständen führen zu keiner grundsätzlichen Verbesserung der desolaten Pflegesituation und der Pflegenotstand kann auch nicht durch die bloße Schaffung neuer Stellen behoben werden, deren Finanzierung und vor allem deren Besetzung überhaupt nicht geklärt sind.
Pragmatische Grundsatzentscheidungen sind zu treffen, um eine langfristige Konsolidierung der Pflege in Deutschland zu gewährleisten.
1. Soziale Marktwirtschaft
Von den 27.000 Pflegediensten und Pflegeheimen werden mehr als die Hälfte, in Zahlen: 14.400, von größtenteils mittelständischen Unternehmen geführt. Sie sichern die Pflegeversorgung in der Stadt und auf dem Land, bieten zukunftsorientierte Arbeits- und Ausbildungsplätze, tragen unternehmerisches Risiko, sorgen für ein vielfältiges Angebot an Einrichtungen und Dienstleistungen und investieren in die Zukunft ihrer Einrichtungen, so dass die Pflegebedürftigen ein auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittenes Angebot vorfinden. Diese Wahlmöglichkeiten müssen erhalten bleiben und ausgebaut werden. Soziale und gleichzeitig marktwirtschaftliche Regelungen sollen dafür sorgen, dass die Kosten für die Pflege in diesen Pflegeheimen im Rahmen des Finanzierbaren bleiben. Gesetzliche Rahmenbedingungen müssen die Qualität der Pflege sicherstellen. Die bisher politisch gewollte Abkehr von einer sozialmarktwirtschaftlichen Organisation der Pflege hin zu einer kommunalen Bedarfssteuerung pflegerischer Angebote und der Übernahme der Fallsteuerung pflegebedürftiger Menschen durch die Kommunen selbst hat zu einem erheblichen Konzentrationsprozess auf der Anbieterseite beigetragen: Gut eingeführten familiengebundenen Unternehmen fehlt die Perspektive, was zu Verkäufen an große Trägergruppen führt. Aber Pflege kann nicht nach dem Prinzip »Koste es, was es wolle« auf dem Rücken der Pflegebedürftigen und Pflegenden gesteuert werden.
Bis 2030 werden nach wissenschaftlichen Berechnungen zusätzlich 160.000 Pflegeheimplätze benötigt. Diesen Bedarf werden weder öffentliche Haushalte auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene noch freie oder gemeinnützige Träger decken können. Sollen die Sozialversicherungsbeiträge stabil bleiben, werden auch die Beitragszahler diese Investitionen nicht übernehmen. In der ambulanten und teilstationären Pflege sieht es nicht anders aus. Deshalb sind gerade im Bereich der Pflege private Investitionen und finanzielle Unterstützung familiären Engagements unbedingt erforderlich. Dafür müssen allerdings die Rahmenbedingungen stimmen.
2. Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege
Bis 2030 werden nach Schätzungen 500.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt. Der schon heute vorherrschende gravierende Fachkräftemangel ist vor diesem Hintergrund lediglich »die Spitze des Eisbergs«. Auch in der Altenpflegeausbildung sind daher grundsätzliche Änderungen vorzunehmen, die die hohe Ausbildungsbereitschaft in der Branche unterstützen. Um Anreize für eine Entscheidung zur Ausbildung als Fachkraft in der Altenpflege zu schaffen, sollte die Ausbildungszeit auf zwei Jahre verkürzt werden, denn junge Menschen wollen schnell in das Berufsleben einsteigen. Die Möglichkeit anschließender Fort- und Weiterbildung schafft weitere Qualifizierungsperspektiven, um für die kommenden, insbesondere digitalen Entwicklungen in der Altenpflege vorbereitet zu sein. Die Ausbildung in der Altenpflege sollte darüber hinaus bundesweit schulgeldfrei absolviert und mit einem eigenständigen, staatlich anerkannten Abschluss beendet werden können.
3. Ausländische Arbeitskräfte in der Pflege
Allein mit inländischen Pflegekräften, der Digitalisierung und der Robotertechnik wird die Fachkräftelücke bis 2030 nicht zu schließen sein. Schon jetzt fehlen deutlich über 50.000 Pflegerinnen und Pfleger. Die Wiederbesetzung einer Stelle dauert nicht selten über ein halbes Jahr und damit deutlich länger als in anderen Berufen.
Für den Einsatz ausländischer Fachkräfte in Deutschland muss eine zentrale Bundesanerkennungsstelle für Berufsabschlüsse eingerichtet werden, die als Ansprechpartner für alle Fragen im Zusammenhang mit der Pflegekräftegewinnung im Ausland fungiert. Damit diese Einrichtung effizient arbeiten kann, bedarf es einheitlicher Regelungen hinsichtlich der vorzuweisenden Sprachkenntnisse der Bewerber, der Befristungen und der vorgesehenen Rückkehrmöglichkeiten. Für Unternehmen in Deutschland müssen transparente Übersichten aller nötigen Anforderungen und Fördermöglichkeiten bezüglich der Fachkräftegewinnung im Ausland zur Verfügung gestellt werden.
4. Den Wert der Pflege schätzen Menschen, die einen Pflege- und Gesundheitsberuf erlernt haben, weisen eine hohe Sozialkompetenz auf und wechseln im Vergleich zu anderen Berufsfeldern deutlich seltener ihren Tätigkeitsbereich: 74,4 % der Pflegekräfte bleiben in ihrem erlernten Beruf.
Neben Faktoren wie einem zukunftssicheren Arbeitsplatz und einem guten Arbeitsumfeld ist auch die Bezahlung ein wesentliches Kriterium für die Attraktivität der Pflegeberufe.
Arbeitsvertragsrichtlinien für alle Einrichtungen in der Altenpflege, die einheitlich in allen Bundesländern Anwendung finden sollten, müssen ein klares Regelungsgerüst zur angemessenen Entlohnung der Beschäftigten in der Pflege bieten. Änderungen in den Personalschlüsseln, die den Pflegebedürftigen zugutekommen und das Personal entlasten, müssen dringend erfolgen und modernen Standards, wie sie bereits im europäischen Ausland gelten, angepasst werden. Die Große Koalition muss hier wie versprochen die Refinanzierung sichern. Mehr Pflegebedürftige bedeutet mehr Personal zur physischen und sozialen Betreuung. Dies geht, folgt man der notwendigen Erhöhung der Vergütung für das Pflegepersonal, einher mit höheren Kosten für die Pflege insgesamt. Die Politik muss den Bürgerinnen und Bürgern offen und ehrlich sagen, dass diese erhöhten Kosten mit den derzeitigen Beiträgen zur Pflegeversicherung nicht ausgeglichen werden können. Anderslautende Aussagen, etwa, dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung nicht erhöht werden müsse, sind Versprechen, die nicht eingehalten werden können. Stattdessen müssen die für die Gesundheitspolitik Verantwortlichen die Fakten klar aufzeigen und fragen, was unserer Gesellschaft die Pflege der älteren Mitbürger tatsächlich wert ist.
5. Entbürokratisierung und Digitalisierung
Entscheidend für gute Arbeitsbedingungen und die dadurch erst mögliche verstärkte Fachkräftegewinnung sind schlanke, unbürokratische Prozesse in den Arbeitsabläufen. Das Hauptaugenmerk der Pflege und das Selbstverständnis dieser Berufsgruppen liegt in der bestmöglichen ganzheitlichen Versorgung des Pflegebedürftigen. Dies erfordert ausreichend Zeit, die nicht durch hohe Personalschlüssel oder zeitraubende Verwaltungsmaßnahmen verschwendet werden darf.
Eine Möglichkeit dies zu erreichen, stellt die Digitalisierung wesentlicher Arbeitsprozesse in der Altenpflege dar. Der Weg zu einer modernen, technisch unterstützten Pflegedokumentation und die Abkehr von der »Zettelwirtschaft« wird zurzeit noch nicht umfassend umgesetzt. Das Ziel, mehr Zeit für die Pflege am Menschen bei gleichzeitiger Sicherung einer hohen Qualität zu ermöglichen, sollte jedoch durch entsprechende gesetzliche Regelungen untermauert werden. Solche fehlen speziell für die Teilnahme der Pflege am Digitalisierungsprozess im medizinisch-pflegerischen Bereich. Die Schaffung von Pflegekammern als Regelungsersatz trägt nicht zur Entbürokratisierung bei. Sie werden aller Voraussicht nach den Pflegekräften Zwangsgebühren aufbürden, Zwangsfortbildungen verordnen und Zwangskontrollen durchführen.
6. Beendigung der systematischen Schlechterstellung der Heimbewohner Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen sind, wie alle anderen Versicherten auch, Beitragszahler der Krankenversicherung. Bei den Leistungen der Krankenkasse werden sie jedoch systematisch benachteiligt, weil sie die Kosten für medizinische Behandlungspflege und für zahlreiche Hilfsmittel aus eigener Tasche zahlen müssen. Bei allen anderen Versicherten übernimmt die Krankenversicherung die Finanzierung dieser Leistungen.
Die Bewohner von Pflegeheimen werden dadurch nicht nur jeden Monat mit mehreren hundert Euro belastet, sondern müssen auch die erhöhten Entgelte für die Leistungen der Pflegeheime tragen. So kommt es zu einer systematischen Entlastung der Krankenkassen auf Kosten der Heimbewohner. Diese Ungleichbehandlung und Schlechterstellung der Heimbewohner muss beendet werden. Die systemgerechte Übernahme der Kosten für Behandlungspflege und Hilfsmittel hat grundsätzlich durch die Krankenversicherung zu erfolgen.
7. Sicherung und Nachhaltigkeit privater Pflege
Von den 2,9 Millionen Pflegebedürftigen erhalten 1,4 Millionen Menschen Pflegegeld und werden zu Hause von ihren Angehörigen betreut. Das ist ein wichtiger Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. 1,5 Millionen Pflegebedürftige begeben sich in die Obhut von ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtungen. Die Leistungen von Familien, Angehörigen, Freunden und Nachbarn müssen in ihrer Wertigkeit den pflegerischen Leistungen durch soziale Einrichtungen gleichgestellt und entsprechend vergütet werden. Gleichzeitig bedarf es besonderer Unterstützung und Kontrolle der privaten Pflegepersonen, um eine qualitativ hochwertige Versorgung des einzelnen Pflegebedürftigen sicherzustellen. Ressourcen sollen so lange wie möglich erhalten und nicht gefährdet werden. Die gleichen Qualitätsansprüche, die an Pflegeeinrichtungen gestellt werden, sind auch an private Pflegepersonen zu richten. Daher ist sowohl eine gesetzliche als auch eine finanzielle Regelung zur Anerkennung und Qualifizierung privater Pflegeleistungen dringend erforderlich.
8. Paradigmenwechsel von »ambulant vor stationär« zu »ambulant und stationär«
Die Individualisierung der Gesellschaft nimmt zu und die traditionellen Familienstrukturen, in die mehrere Generationen eingebunden sind, lösen sich auf. Diese Veränderungen müssen auch in der Altenpflege Berücksichtigung finden. Hinzu kommt, dass aufgrund der demographischen Entwicklung der Fachkräftemangel über alle Berufszweige hinweg auf lange Sicht ein gravierendes Problem für den Wirtschaftsstandort Deutschland bleiben wird. Daher muss in der Altenpflege bei der Ressourcenverteilung ein Paradigmenwechsel stattfinden. Nur eine Mischung aus verschiedenen Angeboten und Formen mit zahlreichen Zwischenformen und Kombinationsmöglichkeiten bietet zielführende Lösungen. Schon die bisherige Praxis zeigt, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen die für sie passende Pflegeform wählen. Angesichts dieser Gegebenheiten verbietet sich die Bevorzugung einer bestimmten Pflegeform. Den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen muss ein größerer Spielraum bei der Wahl der Pflegeform eingeräumt und die entsprechenden Finanzmittel bereitgestellt werden.
9. Keine kommunale Bedarfssteuerung mehr
Wir finden in fast allen Bereichen der Altenpflege von der Ausbildung über die Möglichkeiten der Leistungsabrechnung bis hin zum Heimrecht mit Heimbaurecht auf Länderebene mindestens 16 unterschiedliche Regelungen, die teilweise gravierend voneinander abweichen. Angesichts der großen gesamtgesellschaftlichen Herausforderung, die Pflege älterer Menschen sicherzustellen, bleibt für »Kleinstaaterei« und Interessenpolitik kein Platz. Es muss zu einer bundesweiten Harmonisierung der zahlreichen Regelungen kommen, die zurzeit in Bundesländern gelten. Dabei ist auch die Rolle der Kommunen effizient auszugestalten. Die Kommunen sollen ihrerseits dazu beitragen, dass regional ein breit gefächertes pflegerisches Angebot bereitsteht und die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen die für sie passende Lösung tatsächlich auswählen können. Private Initiativen, Einrichtungsträger und Pflegepersonen sollen nicht durch eine Bedarfssteuerung reglementiert, sondern zur Sicherstellung der Versorgung umfassend unterstützt werden.
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