Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagements Deutschlands“

Mitglieder

Jan Nolte
Ordentliches Mitglied & Obmann

Joachim Wundrak
Stellvertretendes Mitglied

„Ich glaube, man hat sich nicht einmal darum bemüht, die Afghanen zu verstehen. Ich denke, das ist das Hauptproblem gewesen. Das heißt, dass man etwas auf Afghanistan übertragen hat, ohne Kultur und Gesellschaft des Landes zu verstehen und die Afghanen dort abzuholen, wo sie sind.“

(Prof. Dr. Conrad Schetter – Direktor für Forschung des Bonn International Centre for Conflict Studies gGmbH)

Noch im Februar 2021 stimmte die Bundesregierung für eine Verlängerung des NATO-Einsatzes in Afghanistan und lobte die erreichten Fortschritte im Land. Es gebe demokratische Wahlen und die Bildungschancen für Mädchen hätten sich enorm verbessert. Dann jedoch ging es zur großen Überraschung der damaligen Regierungsverantwortlichen sehr schnell: Bereits am 14. April 2021 beschloss der NATO-Rat das Ende der Mission. Die Bundeswehr musste zügig reagieren und beendete mit der Landung der letzten A400M auf dem Fliegerhorst Wunstorf am 30. Juni 2021 ihren Einsatz. Nicht einmal zwei Monate später waren die Taliban wieder an der Macht in Afghanistan.

Die Ampelkoalition hat gemeinsam mit der Union eine Enquete-Kommission zur Evaluierung des gesamten Afghanistaneinsatzes eingesetzt. Neben einer Aufarbeitung der bisher verlustreichsten und teuersten Auslandsmission in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland soll in der Enquete-Kommission auch über die zukünftige Ausrichtung der Bundeswehr diskutiert werden (zum Antrag Bundestagsdrucksache 20/2570). Während deutsche Soldaten in Afghanistan zwei Jahrzehnte lang vergeblich für Demokratie und Frauenrechte kämpften, wurde die Bundeswehr in ihrem Kern von der deutschen Politik regelrecht vernachlässigt.

Wir als AfD sehen den Einsetzungsantrag und die darin formulierten Absichten kritisch. Er ist geprägt vom Geist des verfehlten “nation-buildings“ und begeht die gleichen Denkfehler, die die verantwortlichen Bundesregierungen von Anbeginn dieses Einsatzes gemacht haben. Der „vernetzte Ansatz“ (also die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ressorts und Akteuren der deutschen Seite wie Ministerien, Bundeswehr, Entwicklungshilfe und Nichtregierungsorganisationen) wird für kommende, vergleichbare Auslandseinsätze als alternativlos dargestellt. Es wird gar nicht erst die Frage gestellt, ob künftige militärische Interventionen Deutschlands im Ausland und insbesondere in kulturfremden Räumen nach dem „vernetzten Ansatz“ überhaupt erfolgversprechend sind. “Nation-building“ in kulturfremden Räumen, mit dem Ziel von außen ein anderes politisches System mit demokratischen, westlichen Standards zu implementieren, sowie Traditionen, Bräuche und Werte zu ersetzen, hat sich einmal mehr als unrealistischer Ansatz erwiesen.

Überdies wird im Antrag die seit dem 24. Februar 2022 völlig veränderte geopolitische Lage (Ukraine-Krieg) mit keiner Silbe erwähnt. Die Wiederholung eines Engagements mit ähnlichem personellem und materiellem Umfang wie in Afghanistan ist angesichts der dadurch entstandenen Situation sowieso sehr unwahrscheinlich. Die sogenannte „Fortschrittskoalition“ läuft der Gegenwart hinterher. Diese Enquete-Kommission unterwarf sich bislang einer Vergangenheitsbewältigung, obwohl doch das Institut der Enquete-Kommission nach dem Wortlaut der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (§ 56 GO BT) der „Vorbereitung von Entscheidungen“ der Legislative dienen soll. Und deshalb wird sich die AfD-Bundestagsfraktion auch weiterhin konstruktiv in die Arbeit der jetzt konkret zu formulierenden Handlungsempfehlungen einbringen, etwa zu einer besseren Abstimmung und Koordination verschiedener Ressorts bei strategischen Fragen.

In dem am 19. Februar 2024 veröffentlichten und am 23. Februar 2024 im Plenum des Deutschen Bundestages debattierten Zwischenbericht (Bundestagsdrucksache 20/10400) haben wir unsere Positionen in neun Sondervoten und zwei Repliken deutlich gemacht, beispielhaft zu den Themen:

  • nicht formulierte oder sogar gänzlich fehlende eigene nationale Interessen Deutschlands in Afghanistan
  • die inhaltiche Aufweichung sowie zeitliche Ausweitung der Definition der „Ortskraft“ im sogenannten Ortskräfteverfahren
  • Rückbesinnung auf Landes- und Bündnisverteidigung sowie vollumfänglich einsatzbereite Aufstellung und Ausstattung der Bundeswehr
  • Interessenlage und Einflussnahme der regionalen Staaten, insbesondere Pakistans
  • Reflektion der Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss „Afghanistan“, zuvörderst zum Ablauf in den letzten Tagen vor der Machtübergabe an die Taliban Mitte August 2021
  • von Deutschland aus Steuermitteln finanzierte und indirekt legitimierte Taliban
  • die afghanische Verfassung von 2004 als instabiles Fundament, etwa durch die sogenannte „Scharia-Klausel“
  • Gesamtkosten der Bundesrepublik Deutschland für die Missionen in der Islamischen Republik Afghanistan in Höhe von bis zu 47 Milliarden Euro
  • Afghanistan hätte „mehr trade statt aid“ gebraucht!“

Bedenklich waren jedoch die Argumentation und Handlungsweise rund um den Einsetzungsantrag, nach denen der 20-jährige Auslandseinsatz für einen Untersuchungsausschuss zu umfangreich gewesen sei. Dahingegen wurde die angeblich besser geeignete Enquete-Kommission aus freien Stücken unnötigerweise durch die Antragsteller mit einem Zeitplan („spätestens nach der parlamentarischen Sommerpause 2024 ihre Ergebnisse und Handlungsempfehlungen vorlegen.“) so begrenzt, dass eine seriöse Aufarbeitung in zwei Jahren unmöglich ist; erst recht mit den Mitteln einer Enquete-Kommission!

Wir sind daher nicht überrascht, dass die Ampelregierung zusammen mit der Union nunmehr ihren Kurs korrigieren und den Deutschen Bundestag (zum Antrag Bundestagsdrucksache 20/10374) um mehr Zeit bitten mussten. Unsere Prognose aus dem Sommer 2022 hat sich somit bewahrheitet. Die zusätzliche Zeit für die Aufklärung der Ereignisse am Hindukusch begrüßt die AfD ausdrücklich und wird diese nutzen, um auf einen Abschlussbericht hinzuarbeiten, der Deutschland mit realistischen Strategien und einem nationalen Sicherheitsrat für das vermutlich noch wichtiger werdende internationale Krisenmanagement wappnen kann.