Gesetzentwurf
Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes
Berlin, 8. Dezember 2022. Bis zum 1. Januar 1991 stand die Einbürgerung von Ausländern grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde. Zentrale Rechtsnorm des Einbürgerungsrechts war § 8 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes, der mit Änderungen noch heute als § 8 Staatsangehörigkeitsgesetz fortexistiert, aber massiv an Bedeutung verloren hat. Diese Norm war nicht dazu bestimmt, zu einer planmäßigen, erheblichen Verstärkung des Staatsvolkes genutzt zu werden (Hailbronner/Kau/Gnatzy/Weber, Staatsangehörigkeitsrecht, 7. Auflage, München 2022, Grundlagen, Rn. 64). Vielmehr ging sie vom Leitbild der individuellen Einzelfallentscheidung aus, wobei die Rechtsprechung als ungeschriebene Voraussetzung forderte, dass die Einbürgerung im staatlichen Interesse liegen müsse. Das Interesse des Antragstellers an der Einbürgerung war demgemäß nachrangig (a. a. O., § 8, Rn. 48 ff.).
Zum 1. Januar 1991 erfolgte mit dem Inkrafttreten der §§ 85 und 86 Ausländergesetz die Abkehr vom Leitbild der individuellen Einzelfallentscheidung. Beide Normen führten einen Regelanspruch ein, § 85 für junge im Bundesgebiet geborene und/oder aufgewachsene Ausländer (die Vorgängerregelung des heutigen ius soli, § 4 Abs. 3 Staatsangehörigkeitsgesetz), § 86 für im Erwachsenenalter nach Deutschland migrierte Ausländer mit langem Aufenthalt (15 Jahre und mehr). Nunmehr war die zuständige Behörde „in der Regel“ verpflichtet, Antragsteller bei Vorliegen der in §§ 85 oder 86 genannten Voraussetzungen einzubürgern. Nur noch in begründeten Ausnahmefällen sollte die Einbürgerung bei Vorliegen der Voraussetzungen der jeweils anzuwendenden Vorschrift abgelehnt werden können. Bereits ab dem 1. Juli 1993 fiel auch diese Einschränkung weg, von da an hatten Antragsteller, die entweder die Voraussetzungen des § 85 oder 86 erfüllten, einen unbedingten Anspruch auf Einbürgerung. Mit diesen Rechtsänderungen wurde die Einbürgerung zum Massenverfahren, in dem anhand der formalen Prüfung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen auf Antrag entschieden wurde.